Der Verein
Hinter IGUS stehen primär zwei Polizei-Ausbilder, welche beschlossen haben, Ihr Wissen und ihre Erfahrung auch an Zivilisten weitergeben zu wollen. Es werden natürlich keine Polizeitaktiken oder polizeiliche Vorgehensweisen gelehrt, das ganze sagt euch aber, dass die Trainer vom Fach sind und wissen, wovon sie reden. Die beiden führen ihre Kurse auf äußerst sympatische, kompetente und lehrreiche Art und schaffen es stets auf Teilnehmer mit unterschiedlichsten Hintergründen, Erfahrungsstufen und körperlichen Voraussetzungen einzubinden und auf alle individuell einzugehen.
Die (imo recht fairen) Teilnahmegebühren fließen sofort wieder in die Anschaffung von neuem Trainingsmaterial. Die Teilnehmerzahlen für die meisten Kurse werden absichtlich niedrig gehalten (z.B. max 8 TN für KKP01) damit alle TN intensiv betreut werden können.
Generell befolgen die beiden merklich einen No-Nonsense Ansatz und den Grundsatz, möglichst wenige Stellungen/Handgriffe/Bewegungen/Prinzipien zu vermitteln, die in möglichst vielen Situationen funktionieren und dann auch ordentlich sitzen. Diese wiederholen sich in den verschiedenen Kursen stets.
Die Inhalte entsprechen nicht den (tw. veralteten) Trainingshandbüchern von Behörden sondern wirken sehr modern und fußen auf den persönlichen Erfahrungen und dem Ausprobieren der Ausbilder. Sie begründen stets ausführlich, warum sie der Meinung sind, dass ein bestimmter Handgriff oder eine bestimmte Bewegung so wie gezeigt am besten oder am zuverlässigsten funktioniert. Dieser Punkt gefällt mir persönlich besonders gut. Ich bin kein Fan von „because I say so“.
Die Kurse werden natürlich laufend upgedated (geupdated? Denglish is hard) und verbessert.
Kurse finden im Keller der Luna-Shooters in Wien statt, sind aber offen für alle. Einzig bei den Schieß-Kursen ist ein waffenrechtliches Dokument Voraussetzung.
Webseite: http://www.igus-training.at
Kurs: Rechtskundeseminar
Inhalte:
- Wann und wie darf ich mich rechtskonform verteidigen/meine Waffe einsetzen?
- Was passiert, nachdem ich mich oder meine Familie selbst verteidigen musste?
- Welche Vorgänge (Polizei, Gericht, Medien) werden in Gang gesetzt?
- Wie reagiere ich auf die Polizei?
- Was soll/darf ich sagen?
- Wie kann ich mich und meine Familie bereits im Vorfeld vorbereiten?
Fazit: ein spannender Abend, der mich davon überzeugte, dass ich mehr von dem Verein sehen möchte.
Tipp: im Dezember findet wieder ein Termin statt, noch scheinen Plätze frei zu sein. Die Teilnahmegebühr liegt bei fairen 35€.
Kurs: Pfefferspray
Inhalte:
- Rechtliche Grundlagen (Notwehr, Führen des Sprays, etc.)
- Welche Sprays gibt es, welchen soll ich kaufen und wie funktioniert so ein Spray?
- Grundlegende taktische Kompetenzen
- Handhabungstraining
- Szenarientraining
Danach ging es in den Trainingsraum, wo zunächst die sogenannte Schutzstellung (kenne ich aus dem Krav Maga als „Defensive Grundstellung“), Schrittarbeit und Bewegung als Grundlagen vermittelt werden. Vermittelt wurde auch die Stimme als Waffe einzusetzen und die innere Hemmung zu überwinden, diese auch entsprechend zu verwenden (genau, wir haben uns gegenseitig ein Bisschen angebrüllt).
Danach wurde das Ziehen und Einsetzen des Sprays geübt. Wenn sich dann der Trainingspartner vom anderen Ende des Raumes aus zügigen Schrittes auf einen zubewegt während man versucht sein Pfefferspray aus der Tasche zu fummeln und zum Einsatz zu bringen merkt man erst, wie schnell so ein paar Meter Entfernung dahinschmelzen können. Die nächste Lektion war dann folglich, Ausweichbewegungen durchzuführen, um die Distanz zu wahren, während man das Spray hervorholt und verwendet. Die TN durften sich dann gegenseitig mit Übungssprays bespritzen, um das Erlernte auch gleich in die Tat umzusetzen. Dies kann auf ungeahnte Art gefährlich (O-Ton meiner Freundin: „WEHE, du erwischt meine Frisur!!!“) aber auch sehr lustig werden (den Grinser hättet ihr sehen sollen, als ihr bewusst wurde, dass sie dafür gleich mich mit dem Zeugs attackieren darf)

Abgeschlossen wurde der Kurs durch ein Szenarientraining (mehr dazu unten, dann muss ich es nicht 3 Mal schreiben).
Fazit: sehr lehrreicher und sehr praktisch ausgelegter Kurs (gerade auch durch das Szenarientraining am Ende). Wer ein Pfefferspray führt, sollte sich diesen Kurs definitiv gönnen.
Kurs: Proaktive Selbstverteidigung
Inhalte:
- Einblick in die Entstehungsphase eines Konfliktes
- Erkennen von potentiellem Täterverhalten
- Aufmerksamkeit
- Grundlegende taktische Kompetenzen
- Proaktive Techniken und Verhaltensweisen
- Simple Schlagtechniken zur SV
Der Nachmittag wurde dann von praktischen Übungen eingenommen. Wie im Pfefferspray-Kurs wurden hier zunächst Grundstellung, Schrittechnik und Bewegungen vermittelt, gefolgt von der Stimme als Waffe. Es folgten zwei anfängerfreundliche Schlagtechniken: Handballenstoß und Kniestoß, jeweils mit links wie mit rechts ausgeführt.
Ein Szenarientraining gab es hier – vielleicht auch aufgrund des potentiellen Verletzungsriskios - nicht (vielleicht in Zukunft mal wenn entsprechende Schutzausrüstung angeschafft wurde? Vorschlag in IGUS, falls sie hier mitlesen

Fazit: Den Vormittag fand ich wie immer sehr informativ. Richtiges Profiling und Telltales eines bevorstehenden Angriffes sind äußerst interessant und für sich alleine schon den Besuch des Kurses wert. Der Nachmittag deckte sich zu 95% mit dem, was mir früher im Krav Maga Training vermittelt wurde (was als Lob zu verstehen ist). Dieser Teil war sehr Einsteigerfreundlich ausgeführt, sodass auch wirklich jeder mitmachen konnte. Für mit waffenloser SV schon etwas erfahrenen TN wars auf jeden Fall auch ein großer Spaß. Auch hier haben die beiden wieder sehr gut begründet, warum sie die Techniken so lehren, wie sie sie lehren.
Fazit 2: ich muss mich wirklich wieder regelmäßig „Prügeln“ gehen, das fehlt einfach

Kurs: Kernkompetenzen Pistole 1 (KKP1)
Inhalte:
- Richtige Ausrüstung
- Die Fähigkeit, seine Waffe wirkungsvoll zum Einsatz bringen zu können (Ziehvorgang, Schutz der Waffe, etc.)
- Die sichere Beherrschung und Kontrolle der eigenen Schusswaffe (situationsangepasste Bereitschaftshaltungen, kontrollierte Schussabgabe, etc.)
- Die Fähigkeit, seine Schusswaffe jederzeit einsatzbereit zu halten (Laden, Entladen, Nachladen, Magazinwechsel, Hemmungsbehebung, etc.)
- Verhalten nach erfolgter Schussabgabe
- Grundkenntnisse über Ballistik und die Wirkung von Schusswaffen
- Methoden für eigenes Training
- Abschließende Überprüfung der erlernten Fähigkeiten anhand eines FX Szenarios
Techniken und Handhabung waren wie oben schon beschrieben wieder sehr No-Nonsense und effektiv gehalten und wurden auch immer gut begründet. Das Training war allgemein sehr realitätsnah gehalten (so wurden z.B. Zielscheiben teilweise mit T-Shirts bekleidet, sodass die Schützen A-Zone und gesetzte Treffer nicht sehen).
Die Teilnehmer konnten sich beim Ziehvorgang und bei der Schussabgabe mit einer Kamera filmen lassen und anschließend eine Zeitlupen-Aufnahme betrachten damit sie sehen konnten, wo es vielleicht noch ein Bisschen hakt.
Zum Abschluss gab es noch einen Mini-Wettkampf mit Timer (wodurch man auch in den Genuss einer Ergebnisliste kam) und ein Szenario-Training mit FX-Pistole (mehr dazu unten, dann muss ich es nicht 3 Mal schreiben).
Dass Sicherheit großgeschrieben wurde, brauch ich wohl nicht extra dazusagen. Die Ausbilder selbst verwendeten zur Demonstration von Techniken vor den Teilnehmern ausschließlich Rotwaffen und Dummy-Patronen.
Fazit: Ich habe in der Vergangenheit bereits ein paar eher „militärisch“ angehauchte Schießkurse besucht, über die ich sicher nichts Schlechtes sagen will, die waren sehr gut. Dieser Kurs war aber mit Abstand der beste, den ich bisher besuchen durfte. Dadurch, dass auf jeweils 4 Schützen an der Schusslinie 2 Trainer kommen, erhält man laufend sehr gutes Feedback dazu was man bereits richtig und was man falsch macht. Die Verbesserung der eigenen Schießtechnik ist auch für erfahrene Schützen spürbar. Anfänger sehen zu, wie ihre Streukreise rasant zusammengehen. Der Preis ist für einen 2 Tages-Kurs mehr als fair.
Das Szenario-Training am Ende ist ein krönender Abschluss, den man in der Form sonst nicht geboten kriegt.
Meine klare Empfehlung: Wenn ihr euch nur einen Schießkurs im Leben leisten wollt, besucht diesen. (habt ihr Geld und Zeit für mehr, dann besucht so viele wie ihr könnt – is eh klar. Man nimmt immer was mit.)
Kurs: Kernkompetenzen Pistole 2 (KKP2)
Kann ich noch nicht viel zu sagen, auf diesen Kurs darf ich mich noch freuen und werde ihn bei erster Gelegenheit garantiert besuchen.
FX-Parcours
Jeweils im Sommer/Herbst wird im Luna-Keller der FX-Parcours veranstaltet.
Dieser besteht aus zwei Teilen:
- Ein kleiner Bewerb im scharfen Schuss (jedes Jahr eine andere Herausforderung mit Timer; Einmal war es z.B. eine Abwandlung des Iron Cross Drills. Dieses Jahr eine Abwandlung von El-Presidente mit Strong Hand Only und Weak Hand Only Schüssen inkludiert und „bekleideten“ Zielscheiben, wobei nur A-Zone Treffer zählten). Gibt eine Ergebnisliste für Erweiterungen, etc.
- Ein jährlich wechselndes Szenario mit FX-Pistolen. Der Teilnehmer weiß im Vorfeld nichts vom Inhalt des Szenarios und muss auf die unbekannte Situation reagieren. Danach erhält er nützliches Feedback vom begleitenden Trainer.
Szenarientrainings
Die Kurse Pfefferspray (zukünftig: Proaktive SV), KKP01 und wsl. auch KKP02 werden jeweils mit einem Szenarientraining abgeschlossen. Genau wie beim FX-Teil des FX-Parcours wird der Teilnehmer hier mit einer ihm unbekannten Situation konfrontiert und muss auf diese reagieren. Man wird mit einer FX-Pistole (oder einem Übungs-Pfefferspray) „bewaffnet“, in einen Raum geschickt und versucht die Situation zu erkennen und zu bewältigen. Dabei begleitet stets einer der Trainer ausgestattet mit Warnweste den Teilnehmer und bricht die Übung im Notfall ab. Der zweite Trainer agiert u.U. als Darsteller.
Im Anschluss erhält man wieder ausführliches Feedback zum eigenen Verhalten und lernt, was man hätte noch besser machen können. Bei den Abschluss-Szenarien in den Kursen läuft außerdem eine Kamera mit, sodass man danach auch sehen kann, wie man sich verhalten hat. Das ist ebenfalls sehr aufschlussreich, denn das Ganze passiert so schnell, dass man die Hälfte nachher gar nicht wahrgenommen hat.
Zu den Inhalten der Szenarien in den Kursen sage ich bewusst nichts, die sollen auch für zukünftige TN eine Überraschung bleiben.
Die Szenarien habe ich als sehr immersiv wahrgenommen. Man weiß nicht recht was einen erwartet. Plötzlich geht alles furchtbar schnell, ich reagiere und denke dann tagelang darüber nach, was ich da genau gemacht habe und wie ich es nächstes Mal machen will. Hier lernt man gefühlt am intensivsten.
Disclaimer:
Ich gehöre nicht zum Verein IGUS, erhalte kein Geld für dieses Review und an sich wäre es mir am liebsten, wenn keiner von euch versucht mir einen der raren Plätze in den Kursen wegzuschnappen. Ich bin lediglich sehr positiv beeindruckt von den Kursen und auch von der Haltung der beiden Trainer. Abweichend von der „offiziellen“ Linie der Polizei (bloß nicht wehren und 133 wählen) vertreten sie die Meinung, dass Selbstverteidigung und Waffenbesitz ein Grundrecht darstellen und von möglichst vielen Bürgern auf kompetente Weise wahrgenommen bzw. beherrscht werden sollten. Darum schreibe ich diese Review, damit mehr Leute davon erfahren und die Chance erhalten, auch dieses Grundrecht wahrzunehmen.
Wer's bis hierher geschafft hat: Danke fürs Lesen
