Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

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Kemira
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Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von Kemira »

Howdy, liebe Gemeinde!

Nachdem ich mich seit über 20 Jahren mit dem Holy Black beschäftige und in dieser Zeit aus so ziemlich allen Fehlern lernen durfte, die im Zusammenhang damit gemacht werden können, will ich dem interessierten Einsteiger hier kurz umreißen, wie Schwarzpulver in der Praxis funktioniert, wie sich der Umgang damit von dem mit Nitropulver unterscheidet und welche Kardinalfehler man nicht machen sollte, um sich nicht gleich am Anfang den Spaß an dieser klassisch-schönen Art des Schießens zu verleiden.


In einem Land vor unserer Zeit...

Wir versetzen uns mal kurz mental ins Jahr 1800. Muss nicht auf den Tag genau sein, es geht um die Idee... Du bist ein Waldläufer irgendwo am Arsch der Welt, hast Deine Long Rifle, etwas Pulver, ein paar Kugeln, und musst mit dem Kram Deine Squirrels auf den Tisch bringen.

Gut, das ist grob vereinfacht dargestellt, aber es holt uns relativ rasch dorthin, wo wir abseits der ganzen modernen Zubehörverkäufe hin müssen:
an den Anfang.
Was hatten die Leute damals? Tierische und pflanzliche Produkte - Rinder- und Hammeltalg in rauhen Mengen, Bienenwachs, Pflanzenöle, Spucke, Wasser, manchmal Pisse.
Was hatten sie nicht? WD-40, Silikonspray, chemische Laufreiniger, Niveacreme und so weiter.

Heutzutage, wo alles fancy sein muss, kriegt man leicht den Eindruck, das Schießen mit Schwarzpulver wäre eine unpraktische, dreckige, widerliche, unpräzise und unheimlich geheimnisvolle Tätigkeit.
Das genaue Gegenteil ist der Fall.

Es gibt kaum etwas, was im Wesen einfacher zu betreiben ist als ein Vorderlader mit Pflasterkugel, auch wenn man zugegebenermaßen ein paar Werkzeuge braucht, um das Ding zu laden und zu reinigen. Was allerdings essenziell ist, ist, dass man sich von den Vorstellungen des modernen Menschen hinsichtlich Betriebsmitteln etc. löst und sich darauf besinnt, was die Jungs damals in Verwendung hatten.

Achtung!
Was Schwarzpulver auszeichnet, ist, dass seine Rückstände super in Wasser löslich sind. In den heute verbreiteten Fetten und Ölen auf Mineralölbasis jedoch kaum - im Gegenteil - diese führen zu harten Krusten, die man kaum noch rauskriegt. Daher ist der Kardinalfehler, den man im Umgang mit Schwarzpulver machen kann, Geschoss- oder Pflasterfett/öl auf mineralischer oder Silikonbasis zu verwenden, oder gar, die Waffe mit WD-40 reinigen zu wollen.
Ich sags euch gleich - das wird nix. Wasser ist zum Reinigen euer Kumpel. Wasser und Ballistol.

Wir brauchen:

- einen Vorderlader. No na.

- Pulver. Passend. Dazu später mehr.

- Kugeln. Passend. Dazu später mehr.

- Kugelpflaster. Kann man teuer im Zubehörhandel kaufen.
Kann man aber auch als Meterware Baumwollstoff mit ca 0.3-0.4mm bei Happy Home kaufen, mittels einem passenden Locheisen die Pflaster ausstanzen oder das Pflaster nach dem Setzen der Kugel direkt an der Mündung mit dem Messer abschneiden.

Mehr über das Kugelpflaster hier: Das Kugelpflaster, und was es macht...

- Einen Kugelstarter zum Setzen der Kugel in die Mündung. Kann man sich kaufen oder selber bauen.

- Einen Ladestock. Die mitgelieferten hölzernen, die zumeist an den Waffen drunten dran hängen, sind eher Deko...
Ein robuster Ladestock aus Metall, tunlichst mit Fetzenhalter und Mündungsschoner, ist mMn unerlässlich.
Wem schon mal ein hölzerner Ladestock im Lauf gebrochen ist und sich verkeilt hat, weiß, was ich meine...

- Je nach Zündung Zündhütchen oder Feuerstein.

Grundausstattung
Grundausstattung

Was ich dringend empfehle ist eine Box Pulverröhrchen und einen Satz Pulverschöpfer.
Gibts um ein paar Taler z.B. bei Stifters Gunflints, Artax etc.p.p.

Und wie macht mas?

Als erstes (nur vor dem ersten Schuss) wird bei Perkussionswaffen mal ein Zündhütchen ohne Ladung abgeschlagen, um den Zündkanal freizuputzen. Öl, Fett, Schmutz etc. kann ansonsten die Zündung verhindern.

Das Laden geht dann so:

- als erstes nehmen wir das Kugelpflaster in den Mund. Oder halt das Stück Stoff, das später als Kugelpflaster aufgesetzt werden wird.
Gut durchspeicheln, aber nicht tropfnass machen, wenn möglich.
(Anmerkung: ich weiß dass es kiloweise Pflastermilch in allen Variationen gibt. Die Spuckemethode ist aber bei vielen Schützen nach wie vor die beliebteste, weil sie a) funktioniert, b) nix kost und man sie c) nicht daheimvergessen kann ;) )

- solang wir das Pflaster im Mund haben, schütten wir das Pulver in den Lauf. Vorn bei der Mündung. No na. Die Waffe dabei möglichst senkrecht halten.

- dann setzen wir das eingespeichelte Pflaster möglichst zentrisch auf die Mündung, nehmen eine Kugel und drücken diese mit dem Pflasterstoff in die Mündung.

(Wenn die Kugel samt Pflaster mit dem Daumen ganz in die Mündung gedrückt werden kann, ist die Kugel zu klein oder das Pflaster zu dünn, oder beides).

- als nächstes nehmen wir den Kugelstarter und drücken / klopfen damit die Kugel mindestens bündig in die Mündung (bündig, wenn wir das Pflaster erst jetzt vom Fetzen abschneiden; bei gestanzten Pflastern gern gleich tiefer rein).

- jetzt schieben wir die Kugel auf die Pulverladung runter. Nicht vergessen, den Ladestock wieder rausziehen! ;-)

- zum Abschluss das Zündhütchen aufs Piston aufsetzen oder das Zündpulver in die Pfanne (bei Steinschlosswaffen).

Und dann: Fuego.

Wiederholen. Freuen.

Zum Reinigen danach ziehe ich den Lauf direkt am Stand mit ein paar gut eingespeichelten Stoffetzerln durch (daher der Fetzenhalter am Ladestock). Danach 1, 2 trockene Fetzerln, und eines mit Ballistol drauf. Warum Ballistol? Weil's im Gegensatz zu WD-40 etc. Schwarzpulverrückstände nicht verkrustet, sondern löst, und mit Wasser emulgiert. Das ist dann daheim bei der Endreinigung praktisch.
(Anmerkung: das ist nicht das knatternde Banner der Wahrhaftigkeit, eher die einfachste Methode. Es geht durchaus anspruchsvoller.)

Endreinigung zuhause:

Lauf ausbauen (zumeist 1 - 2 Haltekeile rausdrücken, ggf. die Schwanzschraube aus dem Schaft schrauben). Piston rausschrauben, sofern Pistonschlüssel vorhanden. Man kanns auch drin lassen, aber das ist eigentlich Murks.
Lauf mit der Mündung nach oben in einen Eimer mit heißem Wasser stellen. Ein Spritzer Spüli schadet nicht.
Den Ladestock zur Hand nehmen (mit dem Fetzenhalter), ein Reinigungsfetzerl im Eimer nass machen und von der Mündung ganz nach unten schieben.
Das sollte soweit dichten, dass jetzt mit pumpenden Bewegungen des Ladestocks frisches Wasser von unten durch die Bohrung fürs Piston nachgesaugt wird und so mit wenigen Hüben der Lauf ausgewaschen ist.
Lauf aus dem Eimer nehmen, innen per trockenem Fetzen trockenwischen (ruhig 1, 2 Fetzen nehmen).
Dann Lauf innen mit Ballistolfetzen ölen (möglichst rasch; bei Verwendung von Spüli reinigt das zwar gut, bildet aber an der Luft unheimlich schnell Flugrost).

Lauf außen abwischen und ölen.
Piston wieder einschrauben (idealerweise mit etwas Kupferpaste).
Lauf wieder einsetzen.
Fertig.

Die ganze Endreinigung dauert, wenn man sein Zeug beisammen hat, keine 5 Minuten.

Pulver - passend

Je nach Kaliber und Geschossart sollte das Pulver angepasst werden.
Als Allrounder für das gängigste Kaliber (.44 bei Revolvern, .45 bei Pistolen und Gewehren für Pflasterkugeln) is Schwarzpulver der Körnung FFFg in Gebrauch. Ob das ein Schweizer Schwarzpulver, eins von Explosia, Wano, Zloty Stok etc. ist, ist erst mal sekundär.

Kleinere Kaliber (.36, .38) verwenden, so sagt man, gern FFFFg. Ich schieß aber auch meine .32er mit FFFg, das geht durchaus...

Kugeln - passend

Eine Fetzenkugel passt dann, wenn sie sich samt dem Fetzen (=Kugelpflaster) mit dem Daumen zwar ansetzen, aber nicht in die Mündung drücken lässt, und wenn sie bei "normaler" Pflasterstärke das Pflaster nicht in den Feldern zerschneidet.

Als Faustregel:
für .45er Pflasterkugelwaffen passen meist .445er rundkugeln, manchmal auch .440er.

Aus meinen persönlichen Erfahrungen hat sich die Beobachtung ergeben, dass man nicht ganz falsch liegt, wenn man vom Nominalkaliber 5 Tausendstel Zoll abzieht und damit dann anfängt, das wären bei .50er Läufen dann .495er Kugeln, bei .54er Läufen .535er Kugeln und so weiter...


So, habe fürs erste fertig! Wie gesagt - das ist das primitivste Einsteigerszenario (mit dem ich heute noch recht gut unterwegs bin).
Abendfüllende Geschichten über Pflastermilch, Kugelfett, Versuch und Irrtum, Ladehilfen etc. p.p werden folgen.

Your mileage may vary!

Ich freue mich auf eure Kommentare.

Mit Pulver und Blei,
Kemira
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von tombstone »

Vielen Dank für die Beschreibung, ist sicher für einige interessant.
:p1:
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von k-a-g »

:gott: Sehr guter Beitrag!
Wen die Götter strafen wollen, dem erfüllen sie seine Wünsche.
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thermite
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von thermite »

Top! Klingt sehr interessant und weckt gleich die Neugier :D
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Varminter
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von Varminter »

@Kemira: magst nit mal a Leuchtspur-Kurs machen?
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von Hane »

Super Beitrag. Danke! Mein Colt Navi liegt leider nur herum. Habe ihn erst einmal geschossen.
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von IT Guy »

Sehr spannend. Muss ich mir jetzt auch sowas kaufen?
Freundschaft und langes Leben,
IT Guy

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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von 75reinhard »

Vielen Dank für den sehr bildlich beschriebenen Beitrag und ich freue mich schon auf deine weiteren Geschichten!
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McMonkey
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von McMonkey »

Ein auf den Punkt gebrachter Einstieg in die Thematik. Danke dafür und für die Erstellung des Themenbereiches. :applaus:
Was man nicht tut, geschieht auch nicht.
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doc steel
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: ein paar Anmerkungen aus der Praxis

Beitrag von doc steel »

Na sehr super, des hab i grad no braucht.... dass du jetzt daher kommst mit den rauchigen Zeug und mich beim Gradfürwasganzanderesinteressieren störst.
Jetzt brauch ich auch sowas!!!

Na ohne Spatz jetzt, es is scho irgendwie bezeichnend für die allgemeine Situation.
Wenn du lieber Kemira das jetzt nicht geschrieben hättest, ich weiss nicht ob je wer draufgekommen wär, dass so ein Bericht eigentlich seit Jahren fehlt!
Deshalb ein grosses Dankeschön für den Bericht und a leichtes Liebestatscherl ins Gnack, weil da jetzt noch was is für das ich mich interessieren muss.
lg,
Doc
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