Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

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Kemira
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Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von Kemira »

Howdy!

Es ist nur ein kleines Fetzerl Stoff, aber es entscheidet unter anderem darüber, ob Du den 10er triffst oder die Scheibe fehlst: das Kugelpflaster.

So wie der Reifen das wichtigste Bindeglied zwischen Auto und Straße ist, ist bei Pflasterbüchsen bzw. -pistolen das Pflaster das Wichtigste zwischen Kugel und Lauf.

Völlig Powidl, ob der Lauf gezogen wie bei Büchsen und Perkussionspistolen oder glatt wie bei Steinschlosspistolen ist - ohne Pflaster gehts mit der Rundkugel nicht. Das Pflaster, ein wenige Zehntelmillimeter dicker Fetzen aus Stoff (normalerweise Leinenstoff) umhüllt die Kugel und verhindert, dass sich ihr Blei am Laufstahl abreibt, es stellt den Kraftschluss zwischen den Feldern des Laufs und der Kugel her, und, last but not least, beinhaltet es in der Regel ein Fett, ein Öl oder eine andere Substanz zur Schmierung des Geschosses und zum Weichhalten der Pulverrückstände.

Allein diese Substanz kann schon entscheidend dafür sein, ob Deine Kugeln dort landen, wo Du sie haben willst, oder an Orten, die Du nicht kennst.
Wie stets beim Schießen mit Holy Black - die Schmiere entscheidet...

aber fangen wir am Anfang an. Mit dem Objekt darselbst.

Wie schaut des aus, so a Pflaster?

Üblicherweise werden heutzutage für Rundkugeln runde Pflaster verwendet. Man kann sie auch drei- oder viereckig schneiden, aber das einfachste ist, das Pflaster mit einem Locheisen passender Größe aus einem Stück Leinen- oder Baumwollstoff passender Dicke zu stanzen.

Ein Pflaster ist also in der Regel ein rundes Stück Stoff.

Es gibt noch spezielle Formen des Pflasters, z.B. Kreuzpflaster für Langgeschosse, aber das ist eine andere Geschichte und soll hier nur am Rande erwähnt werden.

...und wie groß isses?

Das Pflaster sollte so groß sein, dass es das Geschoss sicher führt, aber nicht so groß, dass das Geschoss vom Pflaster zur Gänze umwickelt wird.

Die ideale Pflastergröße ist lt. meiner Erfahrung mit folgender Formel berechenbar:

dP = (dK * pi / 2) + dK

wobei dP der Durchmesser des Pflasters und dK der Durchmesser der Kugel ist.

Warum?

Nun, die Kugel soll etwa so wie in u.g. Darstellung vom Pflaster umschlossen sein:
Kugelpflaster1.jpg
Kugelpflaster1.jpg (3.3 KiB) 1102 mal betrachtet
Hier ist das Pflaster blau um die graue Kugel auf der roten Pulverladung dargestellt.

Wie man sieht, entspricht das Maß des Pflasters hier etwa dem halben Umfang der Kugel plus 2 x dem halben Durchmesser. Kleiner sollte das Pflaster nicht sein. Etwas größer ist kein Problem, aber größer als der ganze Kugelumfang sollte der Durchmesser des Pflasters tunlichst nicht ausfallen.

Für die üblichsten Kaliber wären das (auf den nächsten Millimeter gerundet):

Kaliber .32: 20mm
Kaliber .36: 24mm
Kaliber .38: 25mm
Kaliber .44: 29mm
Kaliber .45: 30mm
Kaliber .50: 32mm
Kaliber .54: 35mm
Kaliber .58: 38mm

Man braucht hierbei nicht päpstlicher als der Papst zu sein und die Locheisen auf den Millimeter genau zu kaufen, aber die Größenordnung sollte man beim Pflaster- bzw. Werkzeugkauf berücksichtigen.
Ich benutz(t)e z.B. 30mm-Pflaster für die .44er und die .45er und 35mm-Pflaster für die .50er und die .54er.
Das geht problemlos.

...und wie dick...?

Ich hab mal gehört, so dick wie nötig, so dünn wie möglich. Ich persönlich habe daraus nie eine Wissenschaft gemacht und stets Leinenstoff vom Happy Home mit 0.3mm Dicke verwendet.
Wichtig: Das Pflaster muss zu Kugeln und Lauf passen. Die Kugel und das Pflaster müssen so bemessen sein, dass das Pflaster zwar gut den Drall aufnehmen und an die Kugel übertragen kann, andererseits aber möglichst nicht von den Feldern des Laufs zerschnitten wird. Der 0.3mm Stoff hat das in meinen Waffen stets ganz gut erfüllt.
In der Praxis fahre ich persönlich mit o.g. Stoff und .435er Kugeln in der glattläufigen .44er Steinschlosspistole, .375er Kugeln in der .38er Perkussionspistole, .315er bzw. .445er Kugeln in der Perkussionsbüchse und .535er Kugeln in der Steinschlossbüchse recht gut.

Kollegen wiederum bevorzugen dickere Pflaster mit etwas dünneren Kugeln (z.B. 0.5-0.6mm Pflaster mit .440er Kugeln für die .45er Rifle).

Was aus eurer Waffe am Besten funktioniert und was nicht so optimal, zeigt euch letzten Endes die Scheibe...

...und womit schmiert man das Zeug?

Spucke geht immer. Wie andernorts schon geschrieben - Pflaster in den Mund, dann das Pulver ins Rohr, dann das Pflaster auf die Mündung.
Nicht tropfnass, feucht reicht.

Alternativ hab ich relativ gute Erfahrungen mit ungesalzenem Rindertalg (im Wasserbad schmelzen, die Pflaster eintauchen, abstreifen und zum Trocknen auf Alufolie legen).
Viele lehnen diese Methode ab, weil Rindertalg nicht säurefrei ist.
Ein weiterer Nachteil: wenn die Temperaturen fallen (so unter 10 Grad) funktioniert das nicht mehr gscheid, der Talg wird zu fest.

Eine Emulsion aus 3 Teilen Wasser und 1 Teil Ballistol hab ich in der Pistole lange Zeit recht erfolgreich verwendet.

Aktuell spiel ich mich mit einstweilen sehr guten Eindrücken mit Pure Neatsfoot Oil. Die ausgestanzten Pflaster in ein Döschen, ein paar Tropfen von dem Zeug (übrigens auch sehr gut zum Dichten von Lederschuhen geeignet) auf die Pflaster, aufsaugen lassen bzw. mit dem Daumen ein wenig einmassieren. Fertig.

Weitere Pflasterschmieren, von denen ich weiß, dass sie benutzt werden, und die ich im Lauf der Saison aus der .45er Perkussions- und der .54er Steinschlossbüchse testen möchte, sind Jojobaöl, Olivenöl und - ordinäres Wasser.

Ich hab sogar mal Pflaster mit 80%iger Mayonnaise eingerieben. Ging auch irgendwie... :mrgreen:

Was ich nicht mehr machen werde...

Was ich persönlich nicht mehr machen werde, sind Experimente mit WD-40, Niveacreme, Silikonöl, Vaseline, Graphitfett, Keramikpaste, Kupferpaste und Seife.
Das meiste davon hat bei meinen Versuchen nicht befriedigt. Man konnte vieles zwar mit Zwischenwischen mit Babyfeuchttüchern zum Schießen kriegen, aber naja.

Ansonsten ist eigentlich nur darauf zu achten, dass die Pflaster mittig auf die Mündung kommen und die Kugel mittig eingedrückt wird. Es muss rund um die Kugel Stoff sein, das Blei darf nirgends den Laufstahl berühren, sonst fliegt das nicht dorthin, wo man gern hätte.


So, habe fertig für heute.

Wie immer - das da oben ist keineswegs das knatternde Banner der Wahrhaftigkeit, sondern im Wesentlichen meine gesammelten Irrtümer aus den letzten Jahren. Your mileage may vary.
Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Erfahrungen mit euren Pflastern mit uns teil!

Mit Pulver und Blei,
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von McMonkey »

Sehr gut das Thema umrissen und keine Wissenschaft daraus gemacht, obwohl es eine ist. :lol:

Bravo und Danke :applaus:
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von IT Guy »

:applaus:
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von Varminter »

Wirklich ausgezeichnete Einführung!
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von Dobi »

@Kemira vielen Dank für einen weiteren spannenden und lehrreichen Beitrag zu diesem Thema! :applaus:
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von Mr.Propper »

Danke für die feine Erklärung.

Hätte da noch eine Frage zur Praxis:
Jetzt hast dein Stoffetzerl schön feucht gemacht, liegt mittig am Lauf, du drückst das Kugerl rein und der Fetzerl verrutscht.
Wie bekommst das Kugerl mit Fetzerl wieder aus dem Lauf?
Jetzt müsste das Pulver bereits im Lauf sein, oder?

Sorry hab so garkeine Ahnung von Steinschloss/Perkussionswaffen, interessiert mich aber doch sehr.

Gibts irgendwo die Möglichkeit sowas schiessen zu können?
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von McMonkey »

Mr.Propper hat geschrieben: 17. Mai 2022, 07:40 ...du drückst das Kugerl rein und der Fetzerl verrutscht.
Wie bekommst das Kugerl mit Fetzerl wieder aus dem Lauf?
Jetzt müsste das Pulver bereits im Lauf sein, oder?
Daß, das Fetzerl dermaßen verrutscht, dass der Schuss "unbrauchbar" wird, ist eher nicht der Fall. Aber gehen wir mal davon aus, die Kugel muss wieder aus dem Lauf ...
Da ja gerade Fetzerl und Kugel gesetzt wurde ist zwar bereits Pulver im Lauf - ABER noch kein Zündhütchen gesetzt! Um die Kugel zu entfernen, hilft ein Kugelzieher und eventuell ein Kollege, der beim Kugelziehen hilft. So eine Kugel kann schon stramm sitzen.

https://www.stifters-gunflints.de/produ ... -8x32.html
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von Kemira »

Mr.Propper hat geschrieben: 17. Mai 2022, 07:40 Hätte da noch eine Frage zur Praxis:
Jetzt hast dein Stoffetzerl schön feucht gemacht, liegt mittig am Lauf, du drückst das Kugerl rein und der Fetzerl verrutscht.
Wie bekommst das Kugerl mit Fetzerl wieder aus dem Lauf?
wenn das Fetzerl ein bisschen verrutscht (so dass die Kugel nicht mehr ganz mittig drinliegt) ist es nicht wild.
Blöd wirds wenn das Fetzerl so sehr verrutscht, dass die Kugel an einer Seite überhaupt keinen Stoff mehr zwischen Blei und Stahl hat.
Die trifft dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht dorthin wo sie soll.

Mit ein bisschen Übung und wenn mans ein paar mal gemacht hat, klappt das Kugelsetzen aber in der Regel problemlos.

Prinzipiell hat man immer 2 Möglichkeiten, eine Kugel rauszukriegen, wenn Pulver geladen wurde:
a) man schiebt die Kugel wie immer aufs Pulver drauf und zieht sie dann mittels eines Kugelziehers.
Das ist sowas in der Art:
https://www.stifters-gunflints.de/produ ... 9-5mm.html

b) man schiebt die Kugel wie immer aufs Pulver drauf und schießt sie einfach raus.

Wenn man vergessen hat, das Pulver zu laden (und das kommt meiner Beobachtung nach öfter vor als schief gesetzte Pflaster, weil einer dazwischenquatscht oder man in vorauseilender Siegeseuphorie abgelenkt ist :mrgreen: ), hilft am besten der Kugelzieher aus Option a), oder ein Ausbläser: https://www.stifters-gunflints.de/produ ... aeser.html

Grüße!
Kemira


Ah, ich sehe, Herr McMonkey war schneller! :chears:
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von McMonkey »

Kemira hat geschrieben: 17. Mai 2022, 08:50 ... Wenn man vergessen hat, das Pulver zu laden (und das kommt meiner Beobachtung nach öfter vor als schief gesetzte Pflaster, weil einer dazwischenquatscht oder man in vorauseilender Siegeseuphorie abgelenkt ist...
Gerade am Anfang ist es extrem, die richtigen Schritte in die richtige Reihenfolge zu setzen! Bis das alles "verinnerlicht ist ...

Da gibt es "welche", die glauben "ageee ich brauch doch keinen Kugelzieher" :? Ja das kommt, wie das Amen im Gebet! Und dann stand ich da, im Bewerb, kein Pulver gefüllt, Pflaster und Kugel gesetzt. Den Fehler macht man nur einmal. :nudelholz:
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Re: Einstieg ins Vorderladerschießen: Das Kugelpflaster, und was es macht...

Beitrag von Kemira »

Klar, sowas passiert einem auch nur im Bewerb... :mrgreen:

Was bei "mist, kein Pulver" auch hilft, wenn weder Ausbläser noch Kugelzieher zur Verfügung stehen:
Piston rausschrauben, durchs Pistongewinde so lang Pulver reinträufeln bis der Zündkanal voll ist, Piston wieder reinschrauben, Zündhütchen drauf und Fuego.

Zählt im Bewerb leider als abgegebener Schuss, aber zumindest ist die Kugel wieder draußen... :roll:
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