NACHTRAG ZU MEINEM BEITRAG
Mein Erstbeitrag sollte eigentlich der einzige Beitrag zu diesem Thema sein, denn darin wurde bereits alles Wesentliche veröffentlicht. Da es aber offensichtlich ein paar Unklarheiten gibt, wird dieser Beitrag nun etwas ausführlicher.
Als Waffengewerbetreibender habe ich gewisse Sorgfaltspflichten und wenn ich hier in einem Waffenforum zu einem waffentechnischen oder waffenrechtlichen Thema einen Beitrag verfasse, dann muss ich auf Nummer sicher gehen, dass ich alle Sorgfaltspflichten einhalte und keinen Unsinn veröffentliche - Stichwort Sachverständigenhaftung, siehe dazu §§1293 ff ABGB, insbesondere § 1299 erster Satz ABGB. Sollte ich daher unabsichtlich einen Unsinn veröffentlichen, so gebietet es auch die Sorgfaltspflicht, diesen Unsinn richtig zu stellen und aufzuklären!
Natürlich habe ich sämtliche Sorgfaltspflichten berücksichtigt und habe vor (!) meiner Veröffentlichung ausreichend recherchiert.
Vermutungen/Meinungen in meinem Beitrag sind als solche klar ersichtlich: "
Der Händler wird dem Kunden vermutlich die Auskunft gegeben haben,...", "
Beim Pistolenmodell war es wahrscheinlich gar nicht möglich, dass man dieses als Wechselsystem ausfolgt."
Ist etwas nicht als Vermutung/Meinung meinerseits formuliert, dann wurde es sinngemäß vom Urteil übernommen: "
Der Händler verkauft und übergibt eine ganze zusammengebaute Pistole an einen Kunden."
1. Zur Interpretation des Urteiles - "Waffe in ihrer Gänze"
Gesetzestexte und Urteile sind für juristische Laien sehr oft schwer verständlich, aber dieses Urteil sollte eigentlich für jedermann ohne jegliche juristische Bildung verständlich und nachvollziehbar sein. Aber nachdem ich hier den Beitrag von
fast12 und weitere Beiträge im PD-Forum gelesen habe, musste ich feststellen, dass dem offensichtlich nicht so ist.
Also woran scheitert die Auslegung? Es scheitert an der Auslegung von "Waffe in ihrer Gänze".
"
Weiters wusste er, dass er die gegenständliche Waffe der Marke Sig Sauer nicht in ihrer Gänze an WWWWW ZZZZZ hätte übergeben dürfen, weil dieser keinen freien Platz auf seiner WBK hatte."
Ich muss zugeben, ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass "ganz/Gänze" missverstanden werden könnte, denn dieser Begriff ist in meinen Augen absolut eindeutig und verständlich. Sollte man sich bei einem Begriff trotzdem unsicher sein, sollte man recherchieren, sprich man macht eine Google-Suche. Spätestens nach dieser einfachsten Recherche sollte man sich aber der Bedeutung sicher sein.
Hier sind die 3 wohl aussagekräftigsten Ergebnisse der Google-Suche:
- Die einzig richtige Auslegung von "Waffe in ihrer Gänze" (ganze Waffe) = ganze zusammengebaute Waffe. Da ist jegliche Diskussion überflüssig!
- Eine Waffe aufgetrennt in ein Wechselsystem + ein Griffstück (oder Unterteil) = keine ganze Waffe, man kann aber daraus eine ganze Waffe zusammensetzen. Dieser Satz veranschaulicht die Meinung des Ausdrucks ganz/Gänze wohl am deutlichsten.
Die Auslegung von "ganz" bzw. "in ihrer Gänze" als "nicht ganz" bzw. "nicht ihrer Gänze" bezeichnet man im Juristendeutsch als denkunmögliche Auslegung. Diesen sehr einprägsamen Ausdruck hört man normalerweise bereits bei der Einführungslehrveranstaltung im Studium der Rechtswissenschaften.
Spätestens jetzt sollte für jeden dieses Urteil nachvollziehbar sein.
2. Zusatzrecherche - Auskunft vom BMJ & LG Eisenstadt
Zusätzlich wollte ich beim Justizministerium anregen, dass dieses Urteil des LG Eisenstadt ausnahmsweise im Rechtsinformationssystem für jedermann ersichtlich veröffentlicht wird, nur leider werden gekürzte Urteilsausfertigungen grundsätzlich nicht veröffentlicht, da der Sachverhalt und die rechtliche Beurteilung darin nur sehr gekürzt wiedergegeben werden. Die Damen und Herren vom BMJ haben mich dann direkt an das LG Eisenstadt verwiesen und haben mir den Kontakt zum Präsidenten des LG Eisenstadt hergestellt. Der Präsident des LG Eisenstadt bestätigte mir meine Auslegung des Urteils und teilte mir noch ein paar Details mit, die nicht in der gekürzten Urteilsausfertigung ersichtlich sind. Der Präsident des LG Eisenstadt war auch so nett und hat mir das Schreiben vom BMI aus dem Gerichtsakt weitergeleitet, darum enthält dieses auch die Geschäftszahl des Verfahrens und eine Ordnungsnummer.
Welches Hintergrundinfos habe ich vom LG Eisenstadt erhalten?
- Der Schuldspruch stützt sich in rechtlicher Hinsicht sich auf die Stellungnahme des BM für Inneres. Das LG Eisenstadt folgte also der Rechtsansicht des BMI. Jede Behauptung, dass das BMI und das LG Eisenstadt unterschiedliche Rechtsauslegungen haben, ist somit falsch!
- Die Stellungnahme des BMI aus dem Gerichtsakt wurde mir vom LG Eisenstadt überlassen.
- Der Käufer hat glaubhaft angegeben, dass er die ganze Pistole auf einmal gekauft hat.
- Der Händler hat angegeben, dass er das Griffstück erst einige Wochen später an den Käufer verkauft hat.
3. Meine Vermutung wie der Sachverhalt abgelaufen sein könnte - 3 Varianten
- Im besten Fall (Variante 1) - Der Händler hat dem Kunden die Pistole in ihrer Gänze überlassen und hat sie als Wechselsystem gemeldet und dem Kunden hat er gesagt, dass er sie halt selber irgendwie in ein Wechselsystem zerlegen soll. Wenn aber ein Aufsplitten in ein Wechselsystem & Griffstück nicht möglich ist, dann haben der Händler und der Kunde ein Problem. Genau aus diesem Grund habe ich in meinem Erstbeitrag die Wechselsystemproblematik der SIG Sauer KK-Pistolen angesprochen. Lediglich die SIG Sauer 1911-22 ist von diesen Modellen halbwegs sinnvoll als Wechselsystem nutzbar, das aktuell verfügbare Modell 322 ist nicht sinnvoll als Wechselsystem nutzbar.
- Im mittelschlimmen Fall (Variante 2) - Der Händler hat dem Kunden die Pistole in ihrer Gänze überlassen und hat sie als Wechselsystem gemeldet und dem Kunden hat er gesagt, dass die Pistole zwar als Wechselsystem gemeldet ist, er die Pistole aber nicht auseinanderbauen muss, da das eh nicht so genau kontrolliert wird.
- Im schlimmsten Fall (Variante 3) - Der Händler hat dem Kunden die Pistole in ihrer Gänze überlassen und hat sie als Wechselsystem gemeldet und dem Kunden hat er gesagt, dass die Stückzahlüberschreitung kein Problem ist, es wird so registriert, dass alles passt.
In allen 3 Varianten müsste dem Händler als auch dem Kunden klar gewesen sein, dass dieses Vorgehen nicht rechtens ist!
Bei allen 3 Varianten wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Schuldspruch gekommen, sondern nur zu einer Diversion, der Händler hätte nur ein wenig schuldeinsichtig sein müssen, dies geschah aber nicht: "
... nicht möglich, weil der Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht oder eine partielle Verantwortungsübernahme gezeigt hat."
Die Variante 1 mag für einen Laien vielleicht noch ok klingen, sie ist es aber nicht!!! An dieser Stelle darf ich eine
überaus passende Geschichte erzählen: Ein Kunde wollte von mir eine SIG Sauer Mosquito als Wechselsystem & dazugehöriges Griffstück haben, ich habe ihm dies aber sofort verneint. Auf die Frage "Warum?" habe ihm gesagt, dass er mir vorführen solle, wie er die Mosquito sinnvoll als Wechselsystem verwenden will. Dies war ihm natürlich nicht möglich und ihm ist sofort ein Licht aufgegangen. Ich habe ihm auch erklärt, dass wenn ich ihm diese Pistole in ihrer Gänze überlassen würde und ich die Pistole aber als Wechselsystem eintrage, ich Amtsmissbrauch begehen würde! Das war bereits sehr lange vor diesem Urteil.
4. So ist man als Händler als auch als Kunde auf der rechtssicheren Seite
Folgende Punkte sind auf Händlerseite zu beachten:
- 1. Rechnung: auf der Rechnung wird vermerkt, wie die Waffe bzw. das Wechselsystem verkauft wird und ob ein Griffstück (Unterteil) beiliegt - wenn nichts von einem Wechselsystem vermerkt ist, dann ist es eine ganze Waffe (z.B.: Selbstladegewehr Limex LLC)
Beispiel einer möglichen Artikelbeschreibung eines Pistolenwechselsystems:
Wechselsystem Pistole Glock 17 Gen5/MOS/FS, Kaliber 9x19, Seriennummer AAAA000, Kat. B (Griffstück liegt bei; Zusammenbau gemäß § 14 WaffG am Schießstand erlaubt!)
- 2. Hinweis auf das Schießstättenprivileg gemäß § 14 WaffG: besonders sinnvoll bei Wechselsystemen und sollte in diesem Fall auf der Rechnung angeführt werden, siehe obiges Beispiel
- 4. Belehrung: der Kunde sollte mündlich auf die Punkte 1 bis 3 hingewiesen werden und man fragt abschließend ob auch alles verstanden wurde - nötigenfalls erklärt man dann dem Kunden die unklaren Punkte
- 5. Übergabe: man übergibt dem Kunden die Waffe bzw. das Wechselsystem in dem Zustand, wie es vertraglich vereinbart wurde und wie es auch auf der Rechnung vermerkt ist (in ihrer Gänze, als Wechselsystem mit/ohne beiliegendem Griffstück, etc.)
- 6. ZWR-Eintrag: der Eintrag wird so gemacht wie auf der Rechnung vermerkt
- 7. ZWR-Nachweis für den Kunden: man übersendet dem Kunden den ZWR-Ausdruck über den Waffenverkauf am besten digital (das ist gesetzlich nicht verpflichtend, aber sehr sinnvoll - so weiß der Kunde, dass die Waffe im ZWR registriert wurde und wie die Waffe registriert wurde und er kann ggf. Fehler entdecken)
- 8. Waffenbucheintrag: beim Eintrag sollte ersichtlich sein, ob eine Waffe in ihrer Gänze oder aufgesplittet als Wechselsystem verkauft wurde
Befolgt man als Händler diese 8 Punkte, kann man ruhig schlafen. Man hat sämtliche Sorgfaltspflichten beachtet, sowohl kaufmännisch, waffenrechtlich als auch gewerberechtlich.
Folgende Punkte sind auf Kundenseite zu beachten:
- 1. Kontrolle ob Händler alles korrekt gemacht hat: der Kunde überprüft am besten unverzüglich, ob der Händler seine Punkte 1 bis 5 erfüllt hat - ist dem nicht so, bitte gleich mit dem Händler Rücksprache halten!
- 2. Kontrolle des ZWR-Eintrages: spätestens 6 Wochen nach der Übergabe kontrolliert der Kunde, ob die ZWR-Eintragung korrekt durchgeführt wurde, dazu beantragt er entweder online eine "Waffenregisterbescheinigung ONLINE" oder er beantragt bei seiner Waffenbehörde einen Gesamtdatenauszug seiner im ZWR registrierten Waffen - gibt es hier eine Falsch- oder eine Fehleintragung, bitte unverzüglich mit dem Waffenhändler Rücksprache halten!
- 3. Berücksichtigung des BMI-Schreibens: hält man sich an die Vorgaben des BMI, ist man stets auf der sicheren Seite
Befolgt man als Kunde/Waffenbesitzer diese 3 Punkte, kann man ruhig schlafen. Man hat sämtliche waffenrechtlichen Sorgfaltspflichten beachtet.
Der verurteilte Händler hat wohl leider sehr wenige Punkte davon befolgt und hat alles etwas lockerer gesehen.
5. Schlussworte
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass vom Händler eine ganze zusammengebaute Waffe ("Waffe in ihrer Gänze") übergeben wurde - jegliche Spekulation, dass die Waffe doch als Wechselsystem mit oder ohne beiliegendem Griffstück (egal ob gasdruckbelastet oder nicht) übergeben wurde, ist obsolet!
Die denkunmögliche Auslegung des Urteils, die im Netz auf Facebook und auf X veröffentlicht wurde und die die Panik unter den ganzen Händlern und Sportschützen verursacht hat, ist natürlich Unfug - das war wohl ein unüberlegter Schnellschuss des Verfassers.
Abschließend möchte ich mich nochmals bei den Damen und Herren vom Bundesministerium für Justiz und vor allem beim Präsidenten des LG Eisenstadt für die zusätzlichen und aufschlussreichen Informationen bedanken - vielen lieben Dank!
Und ganz zum Schluss ein "kleiner" Funfact, falls es noch nicht bemerkt wurde: Die panikverursachenden Postings auf Facebook und X wurden vom Verfasser bereits gelöscht, dieser hatte wohl bemerkt, dass er einem kräftigen Irrtum unterlag - jeder steht mal auf der Leitung. Fehler passieren nun mal, alles gut, nichts passiert.
- E N D E -