hs911 hat geschrieben: ↑14. November 2020, 09:46
Etwas Grundsätzliches:
1. Die Behörden haben nicht reagiert, obwohl sie alle Möglichkeiten hatten
2. Als Reaktion darauf wird jetzt noch mehr Macht für die Behörden gefordert.
3. Auch mit diesen zusätzlichen Befugnissen, werden die Behörden nicht reagieren. Wieso sollten sie auch? Wenn der nächste Anschlag unbehindert über die Bühne geht, gibts nacher wieder mehr Befugnisse.
Im Prinzip ist das so wie wenn man ein dickes Kind bei Fehlverhalten mit seinen Lieblingszuckerln belohnt. Was dabei herauskommt, ist jetzt nicht soooo schwer vorherzusagen.
Das ist natürlich sehr plakativ ausgedrückt und man stimmt da leicht zu, aber meiner Meinung nach nicht ganz korrekt.
Das Innenministerium, also BVT, LVT, LPD Wien, etc. hat sich seit 2001 auf Terroranschläge in Österreich vorbereitet. Das dauert, das kostet Geld. Nach den Anschlägen in Berlin bzw. Paris aber auch den Niederlanden wurde massiv investiert in Training, Ausrüstung, Personal.
Jeder hat damit gerechnet, dass es bei uns irgendwann dazu kommt. Ich habe selbst nach Paris gesagt in spätestens fünf Jahren ist das bei uns. Man merkt ja wie der radikale Islam immer mehr zunimmt in Europa.
Diese Vorbereitung hat Unsummen an Geld gekostet aber das ist eben Sicherheitspolitik und Polizeiarbeit.
Was dann weiter passiert ist, es wurden Personen überwacht, es gab diverse Aktionen, vieles unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wo Terrorverdächtige schon immer konkreter eine Gefahr dar stellten und vermutlich gröberes verhindert wurde - das klassische Problem der Polizeiarbeit ist, wenn man etwas im Vorfeld verhindert dann ist es eben nicht passiert und man kann keine Zahlen vorweisen.
Jetzt ist es konkret zu einem Vorfall gekommen. So wie immer völlig überraschend.
Der Attentäter war ein Amateur was Waffen anging und es ist mehr oder weniger glimpflich ausgegangen in dem er nach wenigen Minuten von der Polizei getötet wurde. Man möchte gar nicht denken was gewesen wäre, wenn es dann doch zwei, drei Attentäter mit guter Waffenhandhabung gewesen wären.
Im Zuge der Ermittlungen stellt man fest, dass es tatsächlich konkrete HInweise gegeben hat die nicht bearbeitet wurden oder was nun auch wirklich der Fehler war.
Jetzt möchte man eine Terrordatenbank einführen, diverse Kontrollmöglichkeiten ausweiten.
Betrachtet man das aber komplett, dann macht vieles schon Sinn:
1. Der Attentäter konnte so schnell gestoppt werden, weil unter anderem Sonderkräfte mit guter Ausrüstung und neuen Langwaffen verfügbar waren. Diese wären auch ohne geplanter Sonderaktionen am nächsten Tag verfügbar gewesen. Das ist der Sektordienst der Wega, plus, dass die Kaserne von Cobra und Wega quasi ja fast unmittelbar neben dem Tatort liegen. Dazu kamen im Anschluss hunderte Kollegen mit neuen Schutzwesten, Langwaffen, die die ganze Stadt absicherten und zu X Tatorten fuhren.
Es gab diese Ausrüstungen und Waffen nur weil im Vorfeld viel Geld investiert wurde. Egal ob jetzt Sobotka die STGs bestellt hat oder dann Kickl das weiter geführt hat. Es wurde durchgeführt. Es hat Geld gekostet. Es gab viele Stimmen dagegen. Es gibt aber sogar eine Regierungspartei die wollte uns sogar die Waffen wegnehmen...
2. Die Terrorgefahr war allgegenwärtig und man hat die Nachrichtendienste (die eigentlich keine sind - BVT, LVT) darauf vorbereitet. Es konnte viel ermittelt werden, es gab internationale Zusammenarbeit, vieles war erfolgreich, Bereiche wurden ausgebaut, Investitionen getätigt.
3. Es gab einen Fehler, der Fehler wurde publik und es gibt nun offenbar Konsequenzen (klassisches Köpferollen in der Führung als Beginn - was auch nicht gerade sinnvoll ist meiner Meinung nach). Fehler passieren leider aber der Fehler hätte nicht passieren dürfen. Ich gehe aber davon aus, dass es aufgeklärt wird und weitere Konsequenzen nach sich zieht. Nicht nur personell sondern auch aufs System bezogen. Solche Infos dürfen nicht bei einem Flaschenhals hängen bleiben.
4. Dennoch - es werden neue Werkzeuge gesucht, gesetzliche.
Auch das macht Sinn, weil ein Fehler der schlimmeres verhindert hätte, im nächsten Fall hoffentlich nicht mehr passiert, aber das nichts daran ändert, dass eben bestimmte Kommunikationsdienste nicht überwacht werden können, Daten nicht gesammelt zur Verfügung stehen etc etc.
Man kann jetzt natürlich wieder darüber diskutieren was wie missbraucht werden kann, etc etc, das ist klar und wird ohnehin wieder gemacht, aber man muss auch so realistisch sein, dass, nur weil wir im Land der (fast) Seeligen wohnen, es sich schnell ändern kann und wir noch drei Anschläge dieses Jahr haben.
Wir sind ohnehin kein Land wo alle blind sagen "ja neue Verschärfungen!", aber ich hoffe, dass die Probleme trotzdem objektiv betrachtet werden.
Wenn man nicht in dem Bereich arbeitet, dann ist es immer einfach zu sagen "aber wozu?". Bestes Beispiel ist ein Iphone. Wenn ich heute ein verschlüsseltes Iphone mit der Adresse von fünf tatsächlich bewaffneten Terroristen dem BVT vor die Türe lege und sage "morgen 12 Uhr knallt es in Österreich, hier sind alle Namen und Adressen", dann kann ich vermutlich GIft drauf nehmen dass es morgen knallt. Warum? Weil uns viele technische und gesetzliche Möglichkeiten fehlen. Grundlegendes oft.
Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Freiheiten aufgeben und Sicherheit - bis jetzt hat das Österreich recht gut gehandhabt, aber man muss echt jeden Punkt einzeln objektiv beurteilen. Es macht keinen Sinn alles über einen Kamm zu scheren und als unnötig abzutun.
Und schlussendlich... vieles ist auch immer wieder Glück und Pech. Das spielt immer mit im Leben.